fognin
Christiane Feuerstack ist hier zu finden [Link]
Auftakt über einen Namen
Klingt doch komisch, fognin, so ganz ohne Vorname und immer kleingeschrieben. Um es gleich zu verraten: fognin ist ein „Künstlername“. Wie es dazu kam, erzähle ich gerne, denn ich, Markus Feuerstack, bin der, der sich fognin nennt.
Da saßen sie dann, nächtens meist, mit Gras oder Bier und redeten sich besoffener als es die Drogen vermochten. Da war der schwule Kim, der älter schon, und als Musiker und in allen möglichen Berufen geübt, tolle Geschichten zu berichten hatte. Aber hauptsächlich, also fast immer, saß Martin da, mit einem Stück Papier auf den Knien und den Stift immer zeichnend in Aktion. Martin war Maler, oder Künstler eben, oder wollte es mal werden, aber er war ja schon auf der Akademie (wenn er denn hin ging) und unter uns war er einfach nur: Martin der Maler. Und ich, deutlich der Jüngste, war der Dichter, der stets in Verse brachte, was Tag und Nacht und besoffene Gespräche so an Abenteuer des Geistes und der Seele vermittelten. Meist redeten wir über Politik oder über Kunst und wie wir, ganz bald, alles auf den Kopf stellen würden und wie man sich noch zu wundern hätte und wenn, in anarchistisch paradiesisch nahen Zeiten, wir es sein würden, die das Leben froh und farbenkräftig gestalten würden. Und natürlich: der Dichter trug seine Verse vor, der Maler zeigte seine Bilder und ließ, ein deutlichlicher Vorteil, neue aus dem Gespräch heraus in dieses einfliessen.
Nun, diesen Nachteil des Wortes, dass es nicht zur selben Zeit gesprochen und geschrieben werden konnte, wollte der jugendliche Dichter ausgleichen und schlug vor, dass er auch mal als Maler…. Martin war sehr angetan, der Musiker schwieg, da er ja auf fernen, aber großartigen Bühnen zu agieren gedachte. Doch musste dieser Rollentausch vorsichtig von allen Seiten besprochen werden. Ja, auch der Maler wollte die Haut wechseln und Sprache saufen und in den dunklen Nächten geheimnisvoll rezitieren und jedem seine Werke unbeschadet mitgeben können. Fast schon schien ein Tausch für eine Zeit oder parallel zu dem anderen Beruf vereinbart, als den Freunden aufging, dass sie mit dem Wechsel der Profession auch die Professionalität verlieren würden.
Ahhh, der Dichter, der ja eigentlich Maler ist, würde Laie sein, ein Lernender, ein Werdender, durchaus der Hilfe bedürftig und weitab von dem sonst akzeptierten Sockel. Und dessen Worte gewöhnlich die Nacht durchbrachen, würde in seine Klatten kritzeln, anstatt zu schreiben, und sein Strich würde nicht die Kraft des Wortes finden, hilflos vielleicht und ohne Gewichtigkeit.
„Damit kann ich leben“
verkündete der Nochmaler,
„aber was ist, wenn mir etwas zu gelingen scheint, ich es als neu entstandener Dichter den anderen mitgebe und so, fortgetragen in anderen Händen, Heiterkeit auslöse und Unverständnis“
Den Zeichenstift weit weglegend, imaginierte er, wie man ihn und seinen Namen schmähen würde, über mangelnde Sprachkunst auch gleich sein gesamtes künstlerisches Vermögen in Frage stellen und letztlich natürlich den Stab brechen würde, ihn aus den Reihen der Hoffnungsvollen auszusondern. Auch mir gefiel der Gedanke, bar meiner Dichterwürde, diese zu gefährden, nicht sonderlich und wir überlegten ernsthaft, ob so ein Experiment nur in Heimlichkeit, oder lieber nicht durchzuführen sei. Es war wohl Kim, der wenig betroffen vom Thema des Abends inzwischen unseren gemeinsamen Wein mit Würde dezimiert hatte, der kichernd sich zum Beispiel erhob und uns nahe legte, doch auch einen Künstlernamen für unsere neuen Karieren zu wählen. Plötzlich brannte das Feuer der Musen doppelt in unserem Blute und beseelt von der Idee gefahrlos in ein neues, mehrfaches Künstlertum ein- und aufzusteigen, bastelten wir an den neuen Identitäten. Wer war es nur, der den fognin, den seltsamen, vollkommen ohne Bedeutung daherkommenden Namen in die Runde warf? Vielleicht vergas ich die Herkunft der zwei Silben so schnell, weil unser jugendliches Feuer entfacht war, loderte und brannte vor Begeisterung für diesen Namen.
Sogleich beschlossen wir, wahre Brüder in Kunst- und Rotweindunst, Namen und Identität zu teilen und gemeinsam, dort wo wir Laien sein mussten, fognin zu sein. Und während der eben noch lächelnde Mond, der durch das immer offene Fenster in die kleine Stube gelinst hatte, sich hinter einer großen und sehr dunklen Wolke verbarg, verbanden wir unsere Vornamen mit dem neuen Namen. Nein, nicht das Martin nun als Martin fognin firmierte und ich als Markus fognin! Nitram stand freudig im Raum und umarmte seinen neuen Bruder Sukram und selbst das leicht grunzende schnarchen des immer noch Kim heißenden Musikers, der sich zwischen die geleerten Weinflaschen ausgestreckt hatte, konnte uns nicht beirren.
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