frühe Gedichte

Resignation

Ich hab´ das Denken aufgegeben.
Lass uns schweigen in unserer Einsamkeit.
Es hat keinen Zweck den Kopf gegen die Wand zu rennen.
Dadurch entsteht kein Loch.
Und den Kopf wirst du auch nicht los.
Das Wetter lässt sich nicht ändern wenn man schreit.
Doch weine,
Weil das Weinen befreit.

10. 1974


Träume

An einem kahlen Tisch aus Holz,
Vor sich einen Stoss Papier,
Und eine dicke, matt scheinende Kerze.

Um ihn ist die Dunkelheit die er liebt,
Dort sitzt er und denkt,
Nächtelang in Dunkelheit eingehüllt,
Sitzt er, schreibt, denkt und hat Angst,
Angst vor dem Tag.

Bevor die Sonne zu blinken anfängt,
Setzt er seinen Hut ab,
Bläst die Kerze aus,
Nimmt seinen Füller, die Kerze,
den Hut und geht.

Die ersten Sonnenstrahlen sehen einen Tisch,
Einen Stuhl, beschriebenes Papier
Und hinter dem Fenster, einen Schlafenden.

12.1974 Mannheim

 

Ich, Worte und Ich
(Buddha: Ich bin Du)

Ich bin auch Du – und doch Ich
Ich bin Alle – doch wichtig ist nur ICH
Doch manchmal bin Ich wie Alle.

1974

Der Baum

Kahl am Wegesrand
Weisser Reif auf den Ästen.
Seine Kinder liegen stumm unten auf dem Weg.
Farbig froh und voller Reife –
Aber doch tot.
Einzelne Sonnenstrahlen saugen letzte Lebensenergie.

Warum stirbst du, Baum?


Herbstleben

Der Tod kommt durch den kalten Nebel,
Herzfressend, sumpfig.
Mit den schrillen Tönen der Verzweifelung
Stöhnt er an meiner Tür;
Ergreift Besitz
Von meinen Gedanken,
Von meinen Taten.
Dumpf tönt sein Lachen
Durch meinen hohlen Körper, –
Dämonenlachen.

Durch diese Herbstnacht,
Die ich durchwandern muss,
Tönt klagend mein verfaulendes Herz.

Gebe mir mein Sein zurück,
Meinen vergifteten Willen befreie.

  1. 1975

Wenn der rote Mond in die blauen Wasser fällt

Wenn der rote Mond in die blauen Wasser fällt,

Dass ist dann die Zeit in der sie ihr Kind schlägt
Und besoffen lacht.

Wenn der rote Mond in die blauen Wasser fällt,
Dann kommt die Kleine von Nebenan auf die Strasse
Und singt das Lied von ihren zehn besiegten Männern.

Wenn der rote Mond in die blauen Wasser fällt,
Kommt sie zu mir und wir machen dies
Und vor allem das Eine und bleiben schreilos stumm.

Wenn der rote Mond in die blauen Wasser gefallen ist,

Laufen wir über endlose Wiesen,
Mit der geleerten Whiskyflasche in der einen Hand,
Zerstören wir Panzer
Und klauen weisse Strassenbahnen,
Mit denen wir im Schwimmbad Schach spielen;
Nur so… und wegen des Mondes.

Wenn der rote Mond in die blauen Wasser versinkt,
Ja, dann brennt auch das letzte Haus
Und das Volk glaubt den Versprechungen der Politiker immer noch
Und die fressen, tanzen und befriedigen,
Während wir das allerletzte Lachen lachen
Und uns vor dem Trans Europa Express schmeissen,
Nachts und mit leeren Magen.

Wenn der rote Mond in die blauen Wasser zerissen hat,
Dann läuft im Kino ein beliebter Kriegsfilm.

6.1975


Umweltfreude

Hier, Ich der sitzende Mensch
In der Grünoase,
Liebende, sonnenstrahlende Wärme erwartend,
Muss enttäuscht die Gedankenwende vollziehen
Zu modernen Genüssen.
Erlabe mich nun,
An autolärmender Abgasfreiheit.
Schaue ich in die Ferne,
Halt suchend,
Erkenne schornsteinpanorama Himmel
Begleitet von himmlischen
Überschallsprengenden Sphärenklängen.
Halb lebendig,
Hier auf der Toteninsel sitzend,
Gedenke ich voll Freude
Der wissenschaftlich-technischen Revolution,
Die mich umschmeichelt mit dem,
Was ich höre, sehe, fühle.
Ich der Mensch,
Stehe auf mit giftschweren Schritten,
Knöcherne Finger um den Taststock gekrampft.

4.1975


Logos

Und ein Gott sprach:
Es werde Wort.
Da sammelte sich die Kraft des Weltengrundes
In seinem Kreise:
Es werde Wort.
Da durchdrang Geist das Allumfassende.
Es schieden sich Gegensätze:
Finsternis gebar Licht
Licht entströmte Dunkelheit.
Tag nannte sich Tag
Nacht nannte sich Nacht.
Es werde Wort.
Geeintes zum Teil,
Teil zu des Teiles Teil.
Aus Wasser entstand Land,
Land wandelte sich zu Wasser.
Geist nannte sich Geist,
Materie nannte sich Materie.
Es werde Wort.
Was geschieden vereinte sich erneut.
Vergangenes traf auf Künftiges.
Himmel nannte sich Himmel
Zahl nannte sich Zahl.
Es werde Wort
Wort trat in der Kette Glied
Im Wort entstand das Lebendige,
Teilte und einigte sich.
So entstammt aus dem Grössten das Kleinste,
Die Summe der Schöpfung
Und doch er ihr Keim.
Es wurde Wort
Werde aus des Menschen Wort
Gottes Wort.

1985

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