autobiographische Notiz

Dies war eine gelebte Erkenntnis, was mir erst sehr viel später bewusst wurde. Ich möchte nicht alle Stationen meines Lebenslaufes in aller epischen Breite hier abhandeln, sondern lieber markante Erlebnisse beleuchten. Mein Versuch Zivildienst in einer heilpädagogischen Einöde am Bodensee zu absolvieren, misslang nur insofern, dass es an der Anerkennung mangelte. Über ein Jahr später eroberte ich meine Geburtsstadt Hamburg erneut, um endlich die Ausbildung zum Buchhändler zu beginnen. Ein bisschen hatte mich das Gelächter des tristen Menschen von der Behörde damals schon beeindruckt. Deshalb sparte ich Briefpapier und Bewerbungsmappen und streifte lieber tagelang durch die Buchhandlungen, um die geeignete herauszufinden.

Der Staat, der mich so großzügig mit einem miserablen Hauptschulabschluss ins so genannte Leben entlassen hatte, hatte sich nur wenig bemüht, mir Bildung zu verabreichen. Das war gut so, denn so konnte ich die wirklich interessanten Bereiche des Lebens ungetrübt von Schulhass selbst erkennen. Inzwischen war ich gut belesen und vielseitig aufgeschlossen. Meine Interessen waren eindeutig literarisch orientiert. Eine belletristische Buchhandlung mit einem Verkaufssortiment aus Danella, Simmel und Co konnte ich als Ausbildungsstätte ausschließen. Also spazierte ich frohgemut in die beste Fachbuchhandlung für Technik und Naturwissenschaften und fragte nach einem Aushilfsjob. Dem Unbeschwerten helfen die Götter: Ich lief dem Geschäftsführer in die Arme, der von mir wissen wollte, worauf sich mein Wunsch gründete. Ich gestand: „Eigentlich möchte ich hier eine Ausbildung machen, die Sie mir aber aufgrund meines Zeugnisses verweigern werden. Wenn Sie mich beim Arbeiten erlebt haben, wollen Sie meine Zeugnisse nicht mehr sehen.“ Dem Geschäftsführer gefiel das forsche Auftreten. Obwohl kein Arbeitsplatz vakant war, konnte ich am nächsten Tag als Aushilfe anfangen. Ein dreiviertel Jahr später hatte ich den begehrten Ausbildungsvertrag, nach weiteren zwei Jahren war ich Fachbuchhändler mit hervorragenden Noten.

Weiter ging es mit verschiedenen low-level-jobs: Naturtextilhändler, Buchhändler im anthroposophischen Sortiment, Sklave im Buchgroßhandel usw. Als Hausmeister eines anthroposophischen Zentrums, Herausgeber eines Veranstaltungskalenders, Archivar und Notensetzer wurde ich langsam an eine selbständig- unternehmerische Tätigkeit herangeführt. Inzwischen verheiratet und doppelter Vater, gründete ich eine EDV- Firma aus eigentlich formalen Gründen. Während ich mich aus einem Projekt herausrationalisierte, das eigentlich unseren Lebensunterhalt sicherstellen sollte, nahmen die Computer-bezogenen Aufträge zu. Ich war Unternehmer. Bisher hatte ich mehr oder weniger für kein oder wenig Geld gearbeitet. Als Angestellter waren ständige Einnahmen sowie auch Ausgaben fixe Größen, die leicht zu überschauen waren. Der kapitalistische Unternehmer-Lehrling dagegen musste schnell lernen mit größeren Summen umzugehen. Ohne Kredite läuft nichts. Und Kosten lauern allenthalben. Während die Mitarbeitenden und die Fixkosten ständig befriedigt werden müssen, sind unternehmerische Einnahmen nachrangig.

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https://fognin.de/lizenzen/cc-lizenz/   Bild von Marianne Tralau

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