Neue Musik*

30. 09. 2007

Neue Musik anders

Eckernförde

Manchmal kommt es anders. Erst musste aus Terminschwierigkeiten das geplante Konzert verschoben werden, dann erkrankt die Bratschistin kurzfristig. Widrigkeiten, die „Virtuosität“ nicht bremsen können. So der Titel der Aufführung im Rahmen der Reihe Neue Musik die mit geänderten Programm und Termin am Sonntag spätnachmittaglich zu Aufführung kam. Beatrix Wagner (Flöten), Eva Ignatjeva (Harfe) und Gerald Eckert (Cello) kamen mit dem Änderungen bestens klar und zelebrierten ein weiteres Highlight der zeitgenössischen Musik. Schwerpunkt, geplanter wie faktischer, waren Werke des Eckernförder Komponisten Gerald Eckert, dessen Tonsprache weit über die Grenzen der Republik zunehmend Anerkennung erfährt. Durch die aufgezwungenen Änderungen wurde das Konzert mit dem unausgesprochenen Untertitel „Wiederhören“ versehen. Vertiefung durch mehrfaches Hören ist gerade in dieser Musikrichtung äußerst wichtig, vielfach fordert die Musik das Publikum nachhaltig, so dass sich durch Wiederholungen viele Stücke erst wirklich erschließen. So wurde Dieter Macks (*1954) Werk „Trio V“ für Flöte, Cello und Harfe bereits im September in Eckernförde zum klingen gebracht und bei dem Konzert am Sonntag in der St.-Nicolaikirche auch doppelt wiederholt aufgeführt. „Klangräume II“ ein Werk Eckerts für Flöte und Zuspielband kannte das Publikum auch bereits, vielleicht wurde es deshalb so begeistert aufgenommen. Selbst in der Neuen Musik gibt es, wenn man die Konzerte der Reihe aufmerksam verfolgt, so etwas wie Hits. Als Kandidat zumindest machte sich das im letzten Konzert erstmals vorgestellte brandneue Werk „Nen VII“ bemerkbar. Flöte, Violoncello und Tonband stellen eine meditative, ja sakrale Stimmung in den Raum die stark die Befindlichkeiten des modernen Menschen reflektieren. Das Werk scheint mit dem Verständnis des Publikums zu wachsen, so dass weitere Aufführungen wünschenswert wären. Aus der Beschäftigung mit dem holländischen Maler und Bildhauer Armando entstand 2005 das Stück „Feld 3“ für Flöte und Harfe von Gerald Eckert. Das mit dem Raum und Raumvolumen arbeitende Werk wurde auch zweimal gespielt. Aber auch Ein- und Erstmaliges erklang. So brillierte Beatrix Wagner mit einem Flötensolowerk von Clemens Gnadenstätter (*1966) „Musik für Soloflöte“ von 1991. Während die Eckernförder Musikerin eine lange Strasse von sieben Notenständern dich bepackt mit Papier aufbaute, erzählte sie wie schwer ihr die Eroberung und Einstudierung dieses Werkes gefallen war. „Viel zu schwierig“ urteilte sie und das gleich mehrfach. Aber der Flötistin, die als Interpretin für neue Musik international anerkannt und begehrt ist und Notenschlachtfelder sogar in seltsamen Handschriften gewohnt ist, eroberte auch dieses Werk. Gnadenstätter, der bei seinem Kompositionsstudium ausgerechnet Flöte als Instrument gewählt hatte, kann stolz auf den donnernden Applaus sein, den das Publikum seinem Werk und der Interpretin zukommen lies.

Auch Gerald Eckert hatte sich ein technisch äußerst grenzwertiges Werk als Solostück für sein Cello ausgewählt. Bernd A. Zimmermann (1918-1970) komponierte kurz vor seinem Freitod das zusammenfassende Stück „Vier kurze Studien“ in dem er neue und äußerst komplizierte Spieltechniken als Ausdruckmittel benutzte. Gerald Eckert zelebrierte mit scheinbarer Leichtigkeit die schwierigen Töne und konnte damit wiederholt beweisen, dass der Cellist dem Komponisten nicht nachsteht.

Am ersten Dezember wird die Reihe „Neue Musik“ unter dem Titel „Fäden“ in der St.-Nicolaikirche fortgesetzt. (fst)

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Beschwingtes Sommerkonzert

Eckernförde

Die renommierte Reihe „Neue Musik“ hat einen offensichtlichen Höhepunkt. Das Sommerkonzert fällt deutlich aus dem Rahmen des sonst Üblichen. Nicht nur das eine Stunde später angefangen wird, die Pause gilt kulinarischen Sinneserfahrungen und das Programm glänzt durch einen sehr eigenen und durchkomponierten Spannungsbogen.

Das Ensemble Reflexion K präsentierte sich mit seinem Konzert „surroundings“ sommerlich heiter mit einem deutlichen meditativen Grundton. Wie schon vor zwei Jahren stand das Land Japan Pate. Insgesamt drei alte japanische Gagakus, die ursprünglich orchestral mit der japanischen Mundorgel shô interpretier wurden, verbanden die Werke zeitgenössischer deutscher und japanischer Komponisten. Die Gagaku Stücke wurden von Eva Zöllner auf dem Akkordeon gespielt, denn dieses Instrument zeigt deutliche Bezüge zu der Mundorgel. Eva Zöllner gelang es das Publikum mit den tief innerlichen Stimmungen einzufangen und durch ihr meisterliches Spiel zu begeistern.

Ein furioses Solo zeigte auch Schlagzeuger Stefan Kohmann am Marimbaphon mit Toshimitsu Tanakas (*1930) „Two Movemensts“ von 1970. Die Musik passte hervorragend zum Sommerthema, die gekonnte Spielweise der lebhaften Klänge wurde mit anhaltenden Applaus belohnt.

Bemerkenswert auch Noriko Kawakamis Werk „Fu-In“ von 1979 für Flöte (Beatrix Wagner), Violoncello (Gerald Eckert) und Marimbaphon. Es wurde als Übergang von dem strengen japanischen Kompositionsstudium zur Fortsetzung in Deutschland geschrieben und verdeutlicht ihren persönlichen Auf- bis Ausbruch hörbar. Die Komponistin, die Eckernförde bereits vor einiger Zeit besuchte, wird demnächst als Stipendiatin in das Schleswig-Holsteinische Künstlerhaus in der Ottestrasse einziehen.

Als einziges Werk mit elektronischer Beteiligung und ein deutlicher Höhepunkt des musikalisch so vielseitigen Abends, erklang „Nen VII“ von Gerald Eckert. Sehr ruhige und getragene Klänge mit tief meditativen Charakter produzierten Flöte und Cello. Teilweise war der Übergang von Tonbandklängen und den natürlichen Instrumenten nicht wahrnehmbar – im Raum webten nur Töne von bizarrer und ansprechender Schönheit. In seiner stimmungsvollen Dichte und mit einem warmen und tiefgehenden Grundklang wurde Gerald Eckerts neues Meisterwerk als sehr neue Kirchenmusik erfahrbar, die viele Schichten der Seele des im Leben stehenden zeitgenössischen Menschen musikalisch präsentierte.

Als großartiger Schlusspunkt eines erfreulich wechselvollen Konzerts wurde Peter Gahns (*1970) Werk „ink, colours and gold on paper II+III- surroundings II“ wiederaufgeführt. Wer die Töne die vor zwei Jahren am selben Ort erklangen noch im Ohr hatte, dürfte sichtlich überrascht gewesen sein. Inzwischen hat die Komposition sich weiter entwickelt und zeigte neue Klangerlebnisse auf. Das Werk, das vom Ensemble Refexion K in der Besetzung Beatrix Wagner (Flöten), Eva Zöller (Akkordeon), Gerald Eckert (Cello) und Stefan Kohmann (Schlagzeug) meisterhaft gespielt wurde bildete den Erfahrungsprozess des anwesenden Komponisten deutlich ab. Das durch viele Sommergäste reichlich verstärkte Stammpublikum der besonderen Musikreihe nutze die Gelegenheit nach dem Konzert noch im Turmcafé mit den Musikern zu plaudern und die leckeren Schnittchen von Gisela und Sven Wlassack zu genießen. (Markus Feuerstack)

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