EZ: Unterhaltsame Geschichtsvorlesung über angewandte Piraterie

angewandte Piraterie

Seit Jahrhunderten befährt der als „Magister der sieben Künste“ bekannte Pirat und „Likedeeler“ Magister Wigbold (*1365) die Weltmeere. Viel hat er erfahren und erlebt zusammen mit Klaus Störtebeker und Gödeke Michel. Am Sonnabend schwadronierte der als „listiger Zwerg“ gefürchtete Freibeuter im Haus an der Reeperbahn über seine Erfahrungen und dozierte über die Verwicklung des traditionellen Piratentums in der aktuellsten Politik.
„Habt ihr heute schon gemeuchelt?“ So wurde das Publikum im ausverkauften Kinosaal des Jugendzentrums begrüsst und wie es sich für einen gelehrten Dozenten und Doktore gehört mussten die Studenten Rede und und Antwort stehen. Detailliert beschrieb der kleine Freibeuter, in dessen staubigen Gewand sich die gewiefte Aktionsschauspielerin Gabriele Pahms verbarg, die geschichtlichen Vorkommnisse der Freibeuter zwischen Ost- und Westsee. Poltrig streng mit harschen ungeduldigen aufstampfen des knotigen Stockes wurde die Anwesenden examiniert und mit schelmischen Grinsen und einem triumphalen „Na also – geht doch“ für kluge Antworten belohnt.
Mit zur Mannschaft des umtriebigen Kapitäns gehörte die schöne Esmeralda (Cordula Thonett, Figurentheater im Kabuff) die verzückt die Augen verdrehte in Andenken an die schönen schwedischen Männern damals und der knarzige alte Pirat Alberich Grünhaar. Da Alberich als Handpuppe (oder vielleicht auch wegen seines wurmstichigen Holzbeines?) an seine Esmeralda gefesselt war, giftete er diese gerne mal an und verwickelte sie in gewohnheitsmäßige Kleinstreitgespräche. Was ihn aber nicht abhielt mit den hübschen Frauen im Publikum nebenbei noch zu flirten.
Der Pirat „Musicus“ mit wallenden Dreadlocks war auch mit an Land gekommen um mit Akkordeon und Gitarre für musikalische Stimmung zu sorgen. Aus dem Rathaus hatte er sich als Souvenir den „Bürokraten Maier“ mitgebracht, der für ihn das Schlagzeug zu spielen hatte. (Benjamin Schulte und Dominik Kessener vom Eckernförder „Duo Caldera“) Während die Mannschaft die fröhlichen Seiten des Piratenlebens in so eingängigen Liedern wie „… und ausserdem haben wir gute Laune“ hochleben liess, zeigte der gelehrte Magister auf, dass die traditionellen Piratentricks wie Bangemachen und Stillschweigen auch heute noch in der Politik bestens funktionieren. Ob Bankenkrise, Gesetze durch Lobyisten, Stuttgart 21, Atomverträge und Internetmacht – stets sind es die alten Piraten oder zumindest ihre bewährten Methoden mit denen das (Wahl)volk verscheissert und genasführt wird.
Nach dem das lebhaft mitgehende Publikum über diese wesentlichen Grundzüge uralter und hochaktueller Piraterie eingehenden unterrichtet worden war, akquirierte der beherzte Magister seine neue Mannschaft aus den Anwesenden. So mancher Besucher kam ins sinnieren: Wie wäre es die Seiten zu wechseln zu den direkt-demokratisch geführten Schiffen der Freibeutern, die ihre Beute gerecht und gleich teilen, die eine funktionieren Altersversorgung bieten und wild und frei leben?.
Gabriele Pahms und ihren Künstlerkollegen gelang es einen unterhaltsamen Abend zu gestalten, der bei allen Klamauk und Ulkereien auch geschichtlich informative Details offenbarte und gleichzeitig bestes politisches Kabarett bot, mit seinen manchmal etwas bitteren Pointen. Eine gelungene Show aus Eckernförde die sich als Exportartikel empfiehlt. (fst)

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